“Obwohl der Schock von 9/11 zahlreiche Initiativen zu einer angemesseneren Kenntnis des Islam ausgelöst hat, ist der Ertrag doch auf akademische Relevanz begrenzt. Umso wichtiger ist heute eine Initiative wie das Maimonides-Bildungswerk. Moses Maimonides (1135/38-1204), der Namensgeber des Bildungswerkes, steht heute wie kein anderer symbolisch für das “Goldene Zeitalter”, d.h. für das kreative Zusammenleben von Juden, Christen und Muslimen auf der Iberischen Halbinsel unter islamisch-arabischer Herrschaft. Die Initiative des Bildungswerks, an die heute utopisch-anmutende “covivencia” zu erinnern, ist in unseren Tagen ein historisches Muss. Eine bedeutende Bewegung des deutschen Judentums im 19. Jahrhundert, die “Wissenschaft des Judentums”, hatte die kreative Koexistenz in Andalusien zu einem Paradigma erhoben und daraus Hoffnungen auf eine Neuinszenierung eines solchen intellektuell-kreativen Zusammenlebens abgeleitet. Es waren keineswegs akademische Vertreter der deutschen Majorität, sondern Juden, die die Orientwissenschaften hervorgebracht haben. Ihr Interesse am Orient galt nicht nur der jüdischen Selbsterforschung, sondern vorrangig der Propagierung des Judentums in Europa. Dass dieses Projekt damals scheiterte, ist katastrophalen politischen Umständen zuzuschreiben. Heute, da die deutsche Gesellschaft wieder zunehmend eine religiöse und kulturelle Pluralität aufweist, ist ein Blick in die Geschichte des “Goldenen Zeitalters” hilfreich. Denn es muss darum gehen, nicht nur “nebeneinander” zu leben, sondern ein gemeinsames Kulturprojekt der Partizipation zu entwickeln, in dem die Andersheit der Nachbargruppen als Herausforderung begriffen wird, die einen neuen Blick auf das Eigene ermöglicht. Hierzu leistet das Bildungswerk einen entscheidenden Beitrag.”
Prof. Dr. Angelika Neuwirth und Dirk Hartwig, „Corpus Coranicum – Textdokumentation und historisch-kritischer Kommentar zum Koran” an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften.