Artikel aus der Jüdischen Allegemeine von Anna Fries
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09.06.2021
Warum das jüdisch-muslimische Bildungswerk »Maimonides« vor allem auf persönliche Begegnungen setzt
Peter Waldmann blickt gerne zurück: »Noch vor wenigen Jahren war der Austausch zwischen jüdischen und muslimischen Gemeinden in Deutschland selbstverständlich und das Verhältnis sehr positiv«, sagt der Literaturwissenschaftler. Er ist Jude und war lange Vorsitzender des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden in Rheinland-Pfalz. Waldmann erinnert sich an enge Kontakte zum türkischen Konsulat und uneingeschränkte Solidarität von Juden und Muslimen nach rassistischen Anschlägen in den 80er- und 90er-Jahren. Seit damals sei das Verhältnis schlechter geworden, inzwischen problematisch, sagt Waldmann. Dieser Entwicklung wollten er und Imam Mustafa Cimsit – zugleich Gründungsvorsitzender der Schura Rheinland-Pfalz, Landesverband der Muslime – etwas entgegensetzen.
BEGEGNUNGEN Die beiden Freunde gründeten 2019 das jüdisch-muslimische Bildungswerk »Maimonides« mit Sitz in Rheinland-Pfalz. Namensgeber ist der einflussreiche mittelalterliche jüdische Gelehrte Moses Maimonides, der im 12. Jahrhundert in Kairo lebte. »Wir beide erleben, dass die Stimmung in muslimischen Gemeinden problematisch geworden ist – und umgekehrt das Misstrauen gegenüber Muslimen in jüdischen Gemeinden gewachsen ist«, sagt Waldmann. Maimonides organisiert Vorträge, Workshops und setzt vor allem auf persönliche Begegnungen. Denn wer nichts über den anderen weiß, dem bleiben vor allem Vorurteile. Kommen Hass und Wut hinzu, kann es gefährlich werden. »Wenn in muslimischen Gemeinden ein leibhaftiger Jude auftaucht und mit den Menschen spricht, wirkt das, auch gegen Feindbilder«, sagt Waldmann. Umgekehrt gebe es Muslimen Sicherheit und Vertrauen, dass mit Cimsit ein Imam an Bord ist.
KONFLIKTE Bei den Gesprächsrunden gehe es zuweilen hoch her, unterschiedliche Meinungen träfen aufeinander. »Wir sind alle nicht ohne Vorurteile, Fragen, Diskussionsbedarf«, betont Waldmann. Schwierigkeiten zu verdrängen, bringe nichts. Maimonides wolle vielmehr ermöglichen, Konflikte in einem institutionalisierten Raum auszutragen. Eine offene Haltung will das Bildungswerk an Engagierte und Mitarbeiter in Kitas, Jugendeinrichtungen, Gemeinden und Vereinen weitergeben und hat dazu das Projekt »Couragiert!« initiiert. Der Bund und die rheinland-pfälzische Landesregierung unterstützen das Projekt. Bis 2024 will Maimonides Trainer ausbilden, die dann wiederum selbst Workshops in Gemeinden oder Vereinen anbieten, erklärt die pädagogische Leiterin Misbah Arshad.
Das Konzept: In sieben Fortbildungseinheiten lernen die Teilnehmer Islam und Judentum kennen, beschäftigen sich mit Jugendkultur, mit Antisemitismus und Rassismus gegen Muslime. Weiter soll es vor allem um Selbstreflexion gehen. »Wir wollen die Teilnehmer nicht mit Wissen überschütten, sondern blinden Flecken und festgefahrenen Bildern im Kopf auf den Grund gehen«, sagt Arshad. Der Kurs startet im September in Mainz.
INITIATIVEN Jüdisch-muslimische Initiativen wie die von Maimonides gibt es einige in Deutschland: Stammtische, Kulturtage, eine Akademie, ein Thinktank, Gesprächsformate und Tandems, die sich als jüdisch-muslimisch beschreiben und bei denen sich Juden und Muslime miteinander und füreinander einsetzen. »In den Medien stellt sich das oft anders dar«, sagt Arshad. »Vieles, was das jüdisch-muslimische Alltagsleben in Deutschland betrifft, ist nicht sichtbar.« Vielmehr dominierten Konflikte – allen voran der Nahostkonflikt. So entstehe in der öffentlichen Wahrnehmung der Eindruck, das Verhältnis von Juden und Muslimen sei hauptsächlich schwierig. Um »große Politik« – wie Waldmann es nennt – soll es bei Maimonides gerade nicht gehen, auch wenn sie die Arbeit spürbar beeinflusse, sagt Waldmann. Vielmehr wolle Maimonides bewusst machen, dass die aktuellen Konflikte zeitgebunden seien. »Es gab sehr produktive Beziehungen von Juden und Muslimen«, betont Waldmann. So hätten deutsche Juden als bedeutende Islamwissenschaftler eine positive Einschätzung zum Islam geprägt. Zugleich seien Juden im Orient lange als Gelehrte wertgeschätzt worden – mehr als zur gleichen Zeit in Europa. Dieses Wissen könne dazu beitragen, optimistisch an der Zukunft zu arbeiten.
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